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Montag, 27. Juni 2011

Revolution in Kairo

Es kommt spät,aber irgendwann muss ich ja mal meine Revolutions-Geschichte auspacken!

An diesen Tag musste ich ehrlich gesagt noch so einige Male denken. Zunächst war mir gar nicht bewusst, was ich da eigentlich miterlebt hatte. So ein gewaltiges Erlebnis. Und mir war auch nicht bewusst, iniefern so ein Ereignis mich selber prägen würde.

Aber erstmal die Geschichte an sich:
Bereits am Donnerstag Abend vor dem großen Ausbruch bemerkte ich kleine Anzeichen. Ich war mit Melody im Tamarai. Für einen Donnerstag Abend war es erstaunlich leer. Natürlich hatten wir bereits von den Ankündigen und Vorwahrnungen eines großen Aufmarsches gehört. Nahmen diese Ansage aber weiß Gott nicht ernst. War doch alles bloß Gequatsche. Die anderen Ägypter schien es ernster genommen zu haben. Die alten Feiglinge. So war das Tamarai an diesem Abend überwiegend gefüllt mit Libanesen. Die sind ja bekanntlich katastrophen-resisdent und gehen selbst bei schlimmsten Bombenhagel noch feiern.

Am nächsten Morgen wachte ich auf und zwar mit dem freudigen Gefühl mein Wochenende zu starten. Heute Abend war ein nettes Dinner geplant.Ich freute mich schon tierisch.
Hoffentlich bleibt alles ruhig.Waren ja Demos angekündigt.Aber ich dachte,dass die Ägypter sowieso lieber vor dem Fernseher bleiben als sich auf die Straßen zu wagen. Sowas machen die nicht.
Tja,mit dieser Vermutung sollte ich voll daneben liegen.

Erstmal stellte ich fest, dass mein Handy nicht ging. Irgendwie war das Netz weg. So ein Mist,wollte ich mich doch mit der Melody, meiner deutschen Bekanntin, treffen. Die wohnt ja gleich eine Strasse weiter. Ich verfluchte mein Handy und wollte zu Facebook, um so ein Blick auf die Außenwelt zu erhaschen.
Kein Internet! Was zur Hölle war bloss los heute mit der Technik?
Ist ja wohl nicht wegen der blöden Demo ,oder? Ohne jeglichen Zugriff zu Informationen über das aktuelle Gesehen draussen, fühlt man sich echt abgeschnitten von der Welt. Ich beschloss also mich aus den Bett zu bewegen und persönlich bei Melody vorbeizuschauen. Vielleicht wusste die ja mehr.
Schließlich befand ich mich vor meiner Haustür. Meine kleine Nebenstrasse endete an einer Hauptverkehrstrasse. Schon vor der Haustür roch ich, dass etwas in der Luft war. Die Luft hatte etwas schneidendes. Und eine ganz komische Spannung lag in ihr. Ich glaube, dass solche Extremsituationen unsere Urinstinkte wieder zum Vorschein bringen.
Ich maschierte, das Unglück witterend, zur Hauptstrasse. Von dort hatte ich Menschen irgendwelche Parolen rufen gehört.
Ich hielt erstarrt inne. Die Straßen waren überfüllt. Diesmal nicht von Autos, sondern von wild demonstrierenden Menschenmassen.
Und das hier,in Heliopolis!Heliopolis,mein Ortsteil,ist ein friedlicher Vorstadtbezirk, weit weg vom Tahirplatz und dem Zentrum!
Ich war etwas hin-und hergeriseen zwischen Angst und Neugier. Solte ich zurück? Oder zu Melody. Nach Hause ging auf keinen Fall. Noch eine Minute abgeschottet von allem würde ich nicht packen. Außerdem wollte ich endlich wissen, was hier vor sich ging.
Mit dem Taxi sah ich keine Chanche jemals aus Heliopolis rauszukommen.
Aber mit der Metro. Normalerweise benutze ich nie die Metro.Empfielt sich nicht beonders als Ausländerin. Aber heute machte ich eine Ausnahme.Und ,siehe da,niemand beachtete mich auch nur ansatzweise. Alle waren aufgeregt und unterhielten sich angeregt. Auf Arabisch natürlich....
Je näher wir dem Tahier kamen, desto mehr Menschen mit weißen Tüchern vor Nase und Mund kamen ins Abteil gestürzt. Das machte mich dann schon leicht panisch. Vielleicht war meine Indiana Jones-mässige Exkursion gen Tahrir doch nicht so klug gewesen.

Direkt an der Station des Platzes machte dir Bahn jedoch keinen Halt,sondern fuhr einfach weiter. Die Station war gesperrt worden. Also stieg ich eine weiter aus, bei der Saida Zaghloul.
Kaum hatte ich den Ausgang erreicht, versuchte ich mich auf den Weg zum Tahiriplatz zu machen.
Das war gar nicht so leicht, vor den meisten Strassen patrollierten Polizeistaffeln und es gab kein Durchkommen. Ansonsten alles ruhig, beängstigend ruhig. Die sonst mit Autos vollgestopften Straßen waren plötzlich gespentisch leer. Hätte nur noch der rollende Heuballen gefehlt.
Und die Luft war seltsam, irgendwie beißend. Die Leute hielten sich Taschentücher vor den Mund. Komisch.

Den Grund dafür fand ich ziemlich bald. Nach etwas leisem Umherschleichen durch die verlassenen Geisterstraßen, stieß ich plötzlich wie aus dem Nichts in eine Riesentraube von Zivilisten, die sich einen Kampf auf mittlerer Distanz mit der Polizei lieferten. Ich wusste im ersten Monent gar nicht, was ich nun tun sollte. Um mich herum herrschte Panik und Chaos. Menschen schrien, rannten und tobten. Sie schmissen mit Worten und Steinen, die Polizei antwortete schnell und heftig. Mit Tränengasraketen. Daher das fiese Jucken in meinem Gesicht.
Wie aus dem Refelx zuckte ich meine Kamera und statt wegzulaufen, wie es vernünftige Menschen tun, knipste ich drauf los.
Trotz des Gerangels gab es Ägypter, die mir eines ihrer  netten "Welcome to Egypt"-Phrasen zuriefen. Irgendwie schien sie das Gas weniger zu jucken. Mich beruhigten sie dabei auch etwas. Angst hatte ich jedenfalls keine. Eher einen Stoß Adrenalin, der mich weiter voran trieb zum Tahirplatz.

Ich ging weiter und stieß immer wieder auf neue Strassenkämpfe. Nicht unweit vor mir fielen plötzlich fünf Polizisten auf einen Demonstranten ein. Es war schrecklich. Man konnte nicht viel sehen, aber den Schreien nach zu urteilen, richteten sie ihn übel zu.  Irgendwie war das komisch. Nicht die Prügelei an sich, sondern dieses Ungleichgewicht. 5 mit Schlagstöcken bewaffnete Polizisten, die wie im Blutrausch auf den armen Mann eindroschen. Vielleicht irgendein unschuldiger Familienvater.
Ich zog weiter.
Als ich schon relativ nahe am Tahir dran war, eskalierte die Situation plötzlich. Auch wenn sich die Menschenmasse hier einen Fernkampf mit der ca. 200 m entfernten Polizei lieferte, wurden dieses weitaus aggressiver. Es flog quasi eine Tränengasrakete nach der anderen.
Plötzlich hörte ich Schüsse fallen und die Masse setzte sich panikartig in Bewegung. Menschen rannten an mir vorbei und schrien mir irgendetwas auf Arabisch zu. Auch wenn ich nichts verstanden hatte, war ich mir sicher, dass es an der Zeit war nach Hause zu fahren und zwar SCHNELL! Die Metrostation vor mir war verriegelt. Panik!Und nun? Wohin?  Ich lief nicht, ich rannte!
Ich rannte auf der Suche nach einer ruhigen Nebengasse, weg vom Tumult. Ich weiss bis heute nicht wo ich gelandet war,aber es war still und einsam und ich bekam Angst.
Wenn was passiert, dann würde mir die Polizei jetzt gerade ganz sicher nicht helfen!
Nach einer geschlagenen halben Stunde erbarmte sich endlich ein Taxi mich nach Heliopolis zu bringen.
Dort ließ ich mich bei Melody absetzten und wir zwei hingen für die kommenden Tage in ihrer Wohnung fest.

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